EuGH bestätigt nationalen Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte

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Der EuGH hat mit seinem Urteil vom 22.6.2022 die Vereinbarkeit des Sonderkündigungsschutzes eines/r Datenschutzbeauftragten mit dem Unionsrecht bestätigt.

Rechtslage: DSGVO versus BDSG

Neben der DSGVO, welche als EU-Verordnung einen einheitlichen Datenschutzstandard in den Mitgliedstaaten generieren soll, gibt es auch auf nationaler Ebene Gesetze und Vorschriften für den Datenschutz, insbesondere das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG). Beide Gesetze können einen ähnlichen oder gleichen Gegenstand behandeln. Für diese Fälle gibt es die sogenannte Normenhierarchie, die besagt, dass höherrangiges Recht niederrangiges verdrängt oder aber vorrangig angewendet werden muss. Hier steht die DSGVO als EU-Verordnung und höherrangigem Recht über dem BDSG.

Im vorliegenden Fall ging es um den Sonderkündigungsschutz eines Datenschutzbeauftragten in einem Unternehmen. Sowohl die DSGVO als auch das BDSG treffen dazu Regelungen, welche in einem Fall vor Gericht nicht miteinander vereinbar schienen. Nach §. 6 Abs. 4 S. 2 BDSG ist die „Kündigung eines des Arbeitsverhältnisses unzulässig, es sei denn, dass Tatsachen vorliegen, welche die öffentliche Stelle zur Kündigung aus wichtigem Grund ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist berechtigen.“ Eine ähnliche Regelung, die die Kündigung eines/r Datenschutzbeauftragten nur aufgrund eines wichtigen Grundes kennt, gibt es in der DSGVO nicht. Dort ist lediglich in Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO geregelt, dass Datenschutzbeauftragte wegen der Erfüllung ihrer Aufgaben nicht benachteiligt oder abberufen werden dürfen.

Der Fall und die Urteile der deutschen Gerichte

Dem EuGH wurde nun ein Fall vorgelegt, bei dem eine Klärung hinsichtlich der Anwendbarkeit beider Regelungen erforderlich war. Eine Arbeitnehmerin und Datenschutzbeauftragte wurde von ihrem Unternehmen aufgrund interner Umstrukturierungen entlassen. Die Aufgaben ihrer Position sollten zukünftig von einem externen Dienstleister übernommen werden. Sie klagte gegen die Kündigung mit dem Verweis auf §. 6 Abs. 4 S. 2 BDSG. Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht in Nürnberg gaben ihr Recht. Der Fall wanderte daraufhin zum Bundesarbeitsgericht. Dieses äußerte Zweifel, da das vorrangig anzuwendende Unionsrecht einen geringeren Kündigungsschutz ausspricht. Die Seite der Arbeitnehmerin argumentierte, dass es sich um materiell-arbeitsrechtliche Regelungen handeln würde und die Union somit gar keine Gesetzgebungskompetenz hätte. Die Sonderregelung des nationalen BDSG wäre somit vorrangig anwendbar. Die Gegenseite hielt die Verknüpfung des Schutzes mit der Stellung des Beauftragten für unionsrechtswidrig und verwies darauf, dass durch den Zwang des dauerhaften Festhaltens einer/s Datenschutzbeauftragten wirtschaftlicher Druck aufgebaut werden würde.

Das Urteil des EuGH

Der EuGH sollte also beurteilen, ob die nationale Vorschrift des BDSG im Widerspruch zur Regelung der DSGVO steht. Die Luxemburger Richter verneinten ein Entgegenstehen durch entsprechende Auslegung von Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO gegenüber der nationalen Regelung. Durch Art. §. 6 Abs. 4 S. 2 BDSG solle die funktionelle Unabhängigkeit eines/r Datenschutzbeauftragten gewahrt werden. Die Regelung des Arbeitsverhältnisses würde nicht bezweckt, allenfalls wäre es beiläufig betroffen. Das Hauptaugenmerk aber sei die Gewährleistung der Wirksamkeit der Bestimmungen der DSGVO.

Darüber hinaus betreffe der in § 6 Abs. 4 S. 2 BDSG geregelte Sonderkündigungsschutz primär die Sozialpolitik, nicht aber den Datenschutz. Für Regelungen im Bereich der Sozialpolitik seien die Mitgliedsstaaten gemeinsam mit der EU verantwortlich, entsprechende Gesetze zu erlassen. Die EU sei zudem in diesem Bereich nur berechtigt, Richtlinien zu erlassen. Diese entfalten allerdings, anders als Verordnungen, keine direkte Wirkung auf die Mitgliedsstaaten. Die Staaten könnten daher in jedem Fall eigene Regelungen treffen, um die Inhalte zu regeln.

Fazit

Bezogen auf den Fall bedeutet dies: Soweit eine strengere Vorschrift durch nationale Regelungen mit dem Unionsrecht vereinbar ist und die Verwirklichung der Ziele der DSGVO nicht beeinträchtigt wird, steht es den Mitgliedsstaaten frei, einen Sonderkündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte auf nationaler Ebene vorzusehen.

Quelle:

EuGH, Urteil vom 22.06.2022 – C‑534/20


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