Vorratsdatenspeicherung: Bundestag beschließt das umstrittene Speichergesetz

Der von der Bundesregierung vorgelegte neue Gesetzesentwurf zur Vorratsdatenspeicherung („Gesetz zur Einführung einer Speicherpflicht und einer Höchstspeicherfrist für Verkehrsdaten“) wurde am 16.10.2015 vom Bundestag beschlossen. Das Gesetz muss noch vom Bundesrat und vom Bundespräsidenten ratifiziert werden. Der Gesetzgeber hat aber Übergangsfristen nach Gesetzeseinführung vorgesehen, um den Providern das Umrüsten ihrer Systeme zu ermöglichen.

Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) am 02.03.2010 und der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 08.04.2014 die EU-Richtlinie 2006/24/EG für grundrechtswidrig und deshalb ungültig erklärt haben, hat die Bundesregierung an einer aus ihrer Sicht gegebenen Notwendigkeit eines Gesetzes zur Vorratsdatenspeicherung festgehalten und einen neuen Gesetzentwurf auf den Weg gebracht. Noch bevor das neue Gesetz überhaupt in Kraft tritt, haben Oppositionspolitiker und Kritiker angekündigt, erneut Verfassungsbeschwerde einzureichen.

Laut Thilo Weichert, bis Juli 2015 Landesbeauftragter für den Datenschutz Schleswig-Holstein, fehlte damals wie heute bei der Erarbeitung der Gesetzesvorlage der offene und direkte Diskurs zwischen den Sicherheitsbehörden und den Datenschützern. Eine Abwägung der Interessen der Strafverfolger auf der einen Seite, die sich in ihrer Ermittlungstätigkeit eingeschränkt sehen und der Interessen der Datenschützer, die den Schutz der Bürger gegen die übermäßigen, unbegründeten und flächendeckenden Zugriffe der Strafverfolger im Vordergrund sehen, fand nicht statt. Ausdrücklich spricht sich Thilo Weichert dafür aus, ein Gesetz zur Vorratsdatenspeicherung einzuführen, welches einen gerechten Ausgleich der Ziele Sicherheit und Grundrechtsschutz als Grundlage hat. Ein solches Gesetz sei erforderlich, um die derzeit von Providern praktizierte und als Grauzone behandelte Telekommunikations- (TK-)Verkehrsdatenspeicherung endlich einer Rechtsgrundlage zu unterstellen. Außerdem weist er darauf hin, dass „Verletzungen des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung sich zunehmend ausschließlich im digitalen Raum abspielen und auch diese nicht aufgeklärt werden können, wenn nicht ein Mindestmaß an Verkehrsdaten verfügbar ist“. Er sieht die Gefahr, dass das TK-Vorratsdatengesetz erneut höchstrichterlich kassiert wird und der gesamte Gesetzgebungsprozess von vorn beginnt.

Datenspeicherung für zehn bzw. vier Wochen
Sobald das Gesetz in Kraft getreten ist, sind Telekommunikationsanbieter in Deutschland verpflichtet, das Kommunikationsverhalten aller Bürger in Form der sogenannten Meta-Daten zu protokollieren. Provider müssen dann Verbindungsinformationen zehn Wochen und Standortdaten vier Wochen lang speichern. Aus technischen Gründen werden neben den SMS-Verbindungsdaten auch die SMS-Inhalte erfasst, allerdings dürfen die Strafverfolgungsinstitutionen darauf nicht zugreifen. Inhalte von Telefonaten und E-Mails werden nicht erfasst.
Ausgenommen von der Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung sind Anbieter, die ihren Kunden nur die kurzzeitige Nutzung eines Telekommunikationsanschlusses ermöglichen. Dies trifft nach Aussagen der Bundesnetzagentur auf Hotels, Restaurants oder Cafés zu, die WLAN-Hotspot für ihre Kunden zur Verfügung stellen.

Das Problem mit den Metadaten
Bei den zu speichernden TK-Daten handelt es sich um Verkehrs- bzw. Verbindungsdaten von Anrufern und Angerufenen aus dem Festnetz oder Mobilfunknetz sowie um E-Mail- und IP-Adressen von Sendern und Empfängern sowie um Verbindungsdaten der Internetnutzung. Neu hinzu kommt die Pflicht für Provider und Anbieter von Internet-Telefonie, dass sie neben den IP-Adressen auch „eine zugewiesene Benutzerkennung“ wie Port-Nummern speichern sollen. Kritiker der Vorratsdatenspeicherung warnen, dass anhand dieser Informationen ein „echtes Internet-Nutzungsprotokoll sogar für besuchte Webseiten“ entstehen könnte. Da die dann per Gesetz zu speichernden Daten auch Informationen wie Ort, Zeit, Dauer, Gesprächsteilnehmer und Art eines Telefonats oder einer Nachricht umfassen, liefern Auswertungen dieser Metadaten Aufschlüsse darüber, wer wann wo mit wem und wie lange kommunizierte. Ebenso ist nachvollziehbar, welches Kommunikationsmittel (Telefon, Mobiltelefon, PC) genutzt wurde. Auf diese Weise werden Beziehungen, Tagesabläufe und Netzwerke sichtbar, d.h. Profile entstehen.
Aus diesem Grund sind Metadaten sehr wertvolle und begehrte Daten.

Quellen:

heise: Bundesrat winkt neue Vorratsdatenspeicherung durch

Zeit: Größtenteils harmlos? Von wegen!

BvD – Fachmagazin für den Datenschutz „Wider das Datenschutz-Gutmenschentum“ (02/2015)