Nach Einzelentscheidung des OVG NRW: Bundesnetzagentur setzt Vorratsdatenspeicherung vorerst aus

Die Bundesnetzagentur (BNetzA) hat die ab 1. Juli geltende Vorratsdatenspeicherung von Provider-Daten vorerst ausgesetzt. Vorausgegangen sind zwei Fälle, in denen die Vorratsdatenspeicherung ebenfalls als nicht notwendig bzw. nicht zulässig angesehen worden ist.

Die BNetzA teilte mit, dass die Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung bei Providern vorerst ausgesetzt wird und die Pflicht, welche ursprünglich ab kommendem Monat gelten sollte, nicht mehr eingehalten werden muss. Verstöße gegen diese Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung werden also vorerst nicht geahndet. De facto ist die Vorratsdatenspeicherung damit außer Kraft gesetzt.

Auslöser war ein Beschluss des Oberverwaltungsgerichts NRW (OVG NRW) in Münster: In dem Verfahren hatte der Münchener Internetprovider „Spacenet“ vor dem OVG NRW gegen die Einführung der Vorratsdatenspeicherung geklagt. Insbesondere wehrte sich der Provider gegen die hohen Kosten der Einführung der dazugehörigen Verfahren, welche sich im zweistelligen Millionenbereich befinden sollen. Die Richter stellten fest, dass die deutsche Version der Vorratsdatenspeicherung, welche ohne Anlassbezug stattfindet, sowohl gegen europäisches Recht als auch gegen europäische Rechtsprechung verstößt. So stellt das OVG fest, dass eine Speicherung laut dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nur zulässig sei, wenn diese im Zusammenhang zu einer Straftat oder andern konkreten Verdachtshinweisen geschehen soll.

Dieser Beschluss gilt lediglich für den Antragssteller „Spacenet“. Grundsätzlich ist auch nur dieser Provider nicht zur Vorratsdatenspeicherung verpflichtet. Jedoch hatten daraufhin mehrere Verbände und Aktivisten angekündigt, Eilanträge mit Bezugnahme auf diesen Beschluss einzuleiten. Unter dem Druck dieser neuen Sachlage sah sich die BNetzA gezwungen, die Vorratsdatenspeicherung auszusetzen.

Weitere Provider, u.a. die Telekom, haben bereits ähnliche Verfahren angekündigt oder schon eingeleitet. Die BNetzA hält sich eine Neubewertung der Vorratsdatenspeicherung nach Abschluss dieser Verfahren vor. Es ist davon auszugehen, dass dies noch einige Zeit dauern wird: Erwartet wird, dass sich sowohl das Bundesverfassungsgericht als auch der Europäische Gerichtshof mit diesen Verfahren befassen werden. Danach könnte die Aussetzung wieder aufgehoben werden.

Mit Ausnahme der Telekom haben sich die großen Provider Vodafone und Telefonica/O2 bereits zur Umsetzung der Vorratsdatenspeicherung entschlossen. Ihre Infrastruktur zur Umsetzung ist bis zum 1. Juli einsatzfähig. Dennoch verzichten zumindest Telefonica/O2, 1&1 und Vodafone/KabelDeutschland vorerst auf eine Speicherung. Ob weitere Provider nachziehen, ist noch nicht bekannt.

Auch der Verein „Freifunk Rheinland“ stellte im Vorfeld eine klärende Anfrage an die Bundesnetzagentur, um feststellen zu lassen, ob die Tätigkeiten von Freifunk-Vereinen unter die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung nach §113a Abs. 3 TKG fallen. Freifunker machen mittels WLAN-Hotspots Internet an verschiedenen öffentlichen Orten verfügbar. Die BNetzA hatte sich zwar schon vorher dahingehend geäußert, dass zeitlich begrenzte Zugänge zum Internet, z.B. in Hotels, nicht darunter fallen würden. Die BNetzA entschied nun auch, dass die Tätigkeiten von Freifunk-Vereinen nicht unter die Pflicht zur Vorratsdatenspeicherung fallen. Ob diese Entscheidung der BNetzA jedoch Bestand haben wird, ist fraglich. Die Aussage der BNetzA ist rechtlich nicht bindend, so dass ein Gericht die Entscheidung wieder aufheben könnte. (nl)

Quellen:
Heise online vom 19.6/22.6/23.6/28.6:

Vorratsdatenspeicherung: Bundesnetzagentur bestätigt vorläufige Ausnahnme für Freifunker

Oberverwaltungsgericht: Vorratsdatenspeicherung ist europarechtswidrig

Urteil gegen Vorratsdatenspeicherung: Gesetzgeber, Bundesnetzagentur und Provider massiv unter Druck

Bundesnetzagentur setzt Vorratsdatenspeicherung aus

Golem.de vom 19.6/22.6/23.6/28.6.:

Freifunker müssen erstmal keine Vorratsdaten speichern

OVG NRW: Gericht stoppt Vorratsdatenspeicherung

Bundesnetzagentur prüft Auswirkung der OVG-Entscheidung

Netzpolitik.org vom 28.6.:
Bundesnetzagentur: Keine Strafe, wenn Provider Vorratsdaten nicht speichern