BGH: Inhaber eines Internetanschlusses haftet nicht für Rechtsverletzungen durch Familienangehörige oder andere Dritte

Bereits am 08.01.2014 entschied der Bundesgerichtshof (BGH), dass ein Internetanschlussinhaber in einem Filesharing-Verfahren nicht haftbar gemacht werden kann, wenn für Dritte die Möglichkeit bestand, auf den Internetzugang zuzugreifen oder wenn der Anschluss nicht hinreichend gesichert war. Im konkreten Fall entschied der BGH, dass ein Familienvater nicht für die Rechtsverletzung durch ein volljähriges Familienmitglied haftet.

Aus dem Urteil des BGH:
„Wird über einen Internetanschluss eine Rechtsverletzung begangen, ist eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des Anschlussinhabers nicht begründet, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung (auch) andere Personen diesen Anschluss benutzen konnten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn der Internetanschluss zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde.“

Das Gericht entschied weiterhin, dass – im Falle einer Rechtsverletzung unter Nutzung des Internetanschlusses – der Anschlussinhaber eine „sekundäre Darlegungslast“ trägt. Das heißt, er muss Auskunft darüber geben, „ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. Insoweit ist der Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet.“

Die Frage, haften Eltern als Internetanschlussinhaber für durch ihre minderjährigen oder volljährigen Kinder begangene Rechtsverletzungen, beschäftigte seit einiger Zeit die Gerichte.
Zunächst entschied das  Landgerichts Köln (LG) in erster Instanz und das Oberlandesgericht (OLG) Köln in zweiter Instanz, dass Eltern gegenüber ihren minderjährigen Kindern eine Aufsichtspflicht treffe, sie die Einhaltung von Verboten zu kontrollieren hätten und sie demnach für entstandene Schäden haftbar gemacht werden können (OLG).

Das BGH hob mit seinem Urteil vom 15.11.2012 (Az. I ZR 74/12) die Urteile aus erster und zweiter Instanz auf und wies die Klage der Musikfirmen ab.
Der BGH vertrat die Ansicht, dass Eltern ihrer Aufsichtspflicht genügen, wenn sie das minderjährige Kind über die Rechtswidrigkeit einer Teilnahme an Internettauschbörsen belehren und ihm die Teilnahme daran verbieten. Es bestehe grundsätzlich keine Pflicht, das Nutzungsverhalten des Kindes zu kontrollieren, den Computer zu überprüfen und den Internetzugang zu reglementieren. Diese Maßnahmen kämen erst dann in Betracht, wenn Eltern konkrete Anhaltspunkte vorlägen, die auf Urheberrechtsverletzungen durch Teilnahme an Tauschbörsen hinwiesen.

Mit der Grundsatzentscheidung des BGH vom 08.01.2014 wird darüber hinaus Rechtssicherheit hinsichtlich der Haftbarkeit eines Internetanschlussinhabers gegenüber Ehegatten und volljährigen Kindern im Haushalt geschaffen. Das BGH stellt in seiner Entscheidung explizit fest, dass auf einen Internetanschluss zurückverfolgbare Urheberrechtsverletzungen nicht zwangsläufig die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Anschlussinhaber rechtfertigen, sondern dass im Falle der Überlassung des Internetanschlusses an den Ehepartner und an Kinder oder Stiefkinder die im Urteil I ZR 169/12 vom 08.01.2014 genannten Grundsätze gelten.
Das Urteil des BGH trifft keine Aussage dazu, ob die Grundsätze auch auf andere volljährige Personen, wie Freunde oder Mitbewohner, die den Internetanschluss nutzen, anzuwenden sind.
Nach Einschätzungen von Rechtsanwälten könnte das BGH-Urteil auch Folgen für Wohngemeinschaften und Gastronomiebetriebe haben. In einem Urteil des LG Köln vom 14.03.2013 (Az. 14 O 320/12) entschied das Gericht, dass WG-Hauptmieter nicht für illegales Filesharing ihrer Untermieter haften. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

Quellen:

Heise:  BGH: Eltern müssen Kinder im Internet nicht dauerhaft überwachen

Heise: WG-Hauptmieter haftet nicht für illegales Filesharing

Golem: Keine Filesharing-Haftung, wenn Dritte Netzzugang hatten

Bundesgesichtshof: Urteil in dem Rechtsstreit „BearShare“ (08.01.2014, I ZR 169/12)

Bundesgerichtshof: Urteil in dem Rechtsstreit „Morpheus“ (15.11.2012, I ZR 74/12)