LAG Nürnberg: Nationaler Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte mit DSGVO vereinbar

Das Landesarbeitsgericht (LAG) Nürnberg hat kürzlich eine für Datenschutzbeauftragte wichtige Entscheidung getroffen. Das Urteil ist die erste Entscheidung zu der umstrittenen Frage, ob der im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) festgelegte Kündigungsschutz für Datenschutzbeauftragte mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) vereinbar ist oder nicht.

Worum geht’s?

  • 6 Abs. 4 BDSG regelt einen besonderen Schutz vor Kündigung und Abberufung für Datenschutzbeauftragte öffentlicher Stellen. Demnach kann ein benannter Datenschutzbeauftragter nur gekündigt werden, wenn wichtige Gründe vorliegen; es gelten die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung aus wichtigem Grund gemäß § 626 BGB.
  • 38 Abs. 2 BDSG überträgt diese Regelung auch auf Datenschutzbeauftragte nichtöffentlicher Stellen, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass eine Benennung des Datenschutzbeauftragten verpflichtend ist. Freiwillig benannte Datenschutzbeauftrage unterliegen dem besonderen Kündigungsschutz also nicht.

Wo ist das Problem?

Die für Datenschutzbeauftrage sehr komfortable Regelung hat einen schwerwiegenden Haken: Die DSGVO sieht weder konkret einen solchen Kündigungsschutz vor, noch enthält sie in diesem Bereich eine Öffnungsklausel, die es Deutschland erlauben würde, die nationalen Sonderregelungen festzulegen.

Zur Erinnerung: Die DSGVO ist eine europäische Verordnung, sie gilt also unmittelbar in allen EU-Mitgliedsstaaten. Um den Besonderheiten der einzelnen EU-Staaten gerecht zu werden, wurden in der DSGVO allerdings zahlreiche, sogenannte „Öffnungsklauseln“ eingefügt, die es Mitgliedsstaaten erlauben, die Regelungen der Verordnung national und eigenständig zu konkretisieren. Das deutsche BDSG füllt diese Öffnungsklauseln und konkretisiert die in der DSGVO offen gelassenen Sachverhalte.

Problem? Es gibt kein Problem!

Die Regelung des Kündigungsschutzes des Datenschutzbeauftragten ist zumindest nach Ansicht des LAG Nürnberg mit der DSGVO vereinbar. Im vorliegenden Urteil vom 19.02.2020 (Az. 2 SA 274/19) spricht sich das Gericht klar für die Vereinbarkeit der nationalen Abberufungs- und Kündigungsschutzregelungen mit den allgemeinen Regelungen der DSGVO aus. Das Gericht bestätigt zwar zunächst das Fehlen einer ausdrücklichen Regelung in der DSGVO und weist darüber hinaus richtigerweise darauf hin, dass auch eine entsprechende Öffnungsklausel nicht vorgesehen sei.

Trotz allem kommt das Gericht zu dem Schluss, dass die nationale Regelung im BDSG mit den Regelungen der DSGVO vereinbar ist. Die dahinterstehende Argumentation ist eine arbeitsrechtliche:

  • Die EU legt arbeitsrechtliche Regelungen in Form von (umsetzungspflichtigen) Richtlinien fest. Anders als im Datenschutzrecht gibt es im Arbeitsrecht keine unmittelbar geltenden Verordnungen.
  • EU-Mitgliedsstaaten haben also im Arbeitsrecht die Möglichkeit, die EU-rechtlichen Grundsätze aus der Richtlinie nationalspezifisch zu regeln und bei der Umsetzung zu konkretisieren.
  • Daher können die Regelungen der DSGVO mit Wirkung auf das Arbeitsrecht (in diesem Fall das Benachteiligungsverbot aus Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO) nicht abschließend sein, denn sonst würden einerseits die Regelungen der EU-Richtlinien und andererseits nationale Gesetzte zum Arbeitsrecht faktisch leer laufen.

Die Argumentation ist nachvollziehbar: Die DSGVO kann arbeitsrechtliche Regelungen, die sonst in Form von EU-Richtlinien und der Umsetzung dieser in nationalen Gesetzen geregelt werden, nicht abschließend festlegen. Deshalb müssen nationale Sonderregelungen zum Arbeitsverhältnis eines Datenschutzbeauftragten weiterhin möglich sein – allerdings nur solange der Schutzwert der grundsätzlichen DSGVO-Regelung (Benachteiligungs- und Abberufungsschutz, Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO) dabei nicht unterschritten wird.

Fazit und Ausblick

Das klare Urteil des LAG Nürnberg sowohl zum Abberufungs- als auch zum Kündigungsschutz nach § 28 Abs. 2 i.V.m § 6 Abs. 4 BDSG ist sowohl aus den Augen eines Datenschutzbeauftragten als auch aus Sicht des Datenschutzes allgemein zu begrüßen. Denn der Kündigungsschutz gewährleistet, dass „lästige“ Datenschutzbeauftragte nicht einfach durch weniger „aufmüpfige“ Kollegen ersetzt werden können. Das führt letztendlich dazu, dass auch unangenehme Datenschutzthemen weiterhin offen diskutiert und im Unternehmen vorangebracht werden können – ohne dass sich der Datenschutzbeauftragte sorgen muss, bei der nächsten negativen Stellungnahme gekündigt oder abberufen zu werden.

Das LAG Nürnberg hat die Revision durch die beklagten Parteien zugelassen; der Sachverhalt ist also noch nicht abgeschlossen. Grund für die Zulassung der Revision ist, dass die Frage nach der Vereinbarkeit dieser deutschen Sonderregelung trotz des Nichtvorliegens einer Öffnungsklausel in der Datenschutz-Grundverordnung bisher noch nicht höchstrichterlich geklärt worden ist. Das Verhältnis der § 38 Abs. 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 BDSG zum Art. 38 Abs. 3 S. 2 DSGVO wird also höchstwahrscheinlich in Zukunft vor dem Bundesarbeitsgericht weiterverhandelt. Wir bleiben gespannt und werden Sie informieren!

Quelle:
delegelata.de vom 08.05.2020: LAG Nürnberg: Nationaler Kündigungs- und Abberufungsschutz für Datenschutzbeauftragte ist mit DSGVO vereinbar