19.Januar 2022 | Team Datenschutz | Thema: Datenschutz

Die kleine Reihe: Rechtsgrundlagen Teil 1 Das berechtigte Interesse

Schlagwörter: DSGVO | kleine Reihe | Rechtsgrundlagen

Ohne das grundlegende Basiswissen ist man im Datenschutz schnell verloren. Aus diesem Grund haben wir „Die kleine Reihe“ entwickelt, ein Format, in dem wir praxisrelevante Basics vermitteln. Und was ist Basiswissen und praxisrelevant zugleich? Die Rechtsgrundlagen der Datenverarbeitung. Wir starten mit einem Dauerbrenner aus der Beratungspraxis.

Das berechtigte Interesse und die Werbung

Das berechtigte Interesse ist das „Auffangbecken“ der Rechtsgrundlagen. Passt keine andere Rechtsgrundlage „so richtig“, wird auf das berechtigte Interesse abgestellt. Doch so einfach wie es scheint, ist es leider nicht. Um ein berechtigtes Interesse nach Art. 6 Abs.1 S. 1 lit. f) DSGVO anzunehmen, müssen folgende Punkte geprüft werden:

  1. Was ist das berechtigte Interesse der verantwortlichen Stelle?
  2. Welche entgegenstehenden Interessen der betroffenen Person/en gibt es?
  3. Abwägung beider Interessen:
    • Ist die ausgewählte Verarbeitung geeignet, um das Ziel der verantwortlichen Stelle zu erreichen?
    • Ist die Verarbeitung auch erforderlich, um das Ziel zu erreichen? Gibt es ein milderes Mittel?
    • Eigentliche Abwägung: Welches Interesse überwiegt?

Wir möchten diese Prüfpunkte gerne an einer sehr beliebten und nicht wenig streitbaren Fragestellung aufzeigen:

Der Versand von Newslettern an Bestandskunden

Hier wird gerne argumentiert, dass ein berechtigtes Interesse der verantwortlichen Stelle vorliegt. Herangezogen wird hierzu die DSGVO selbst, heißt es doch im Erwägungsgrund 47: „Die Verarbeitung personenbezogener Daten zum Zwecke der Direktwerbung kann als eine einem berechtigten Interesse dienende Verarbeitung betrachtet werden.“
Wichtig ist hier das Wort „kann“! Es kann also nicht einfach angenommen werden, dass Direktwerbung per se ein berechtigtes Interesse darstellt. Geprüft werden muss trotzdem nach dem vorgenannten Schema. Wir gehen dieses jetzt Schritt für Schritt durch:

  1. Berechtigtes Interesse der verantwortlichen Stelle: Direktwerbung (siehe oben)
  2. Entgegenstehendes Interesse der betroffenen Person: Keine ungefragten Werbe-Mails
  3. Abwägung:
    • Legitimer Zweck: Die Ansprache von Bestandskunden zu Werbezwecken ist für sich genommen legitim.
    • Geeignetheit: Newsletter sind zur Erreichung dieses Zwecks geeignet.
    • Milderes Mittel: Ein milderes Mittel ist nicht ersichtlich. Die Telefonwerbung ist noch schwerwiegender und postalische Werbung ist vom Kosten/Nutzen-Faktor nicht mit einem Newsletter zu vergleichen.
    • Abwägung: Hier geht es um die Abwägung der sich entgegenstehenden Interessen. Je nach Fall müssen hier besondere Gesichtspunkte betrachtet und verargumentiert werden. Für die konkrete Frage der Werbung per Newsletter muss aber insbesondere ein Punkt beachtet werden: Ggfs. andere entgegenstehende Gesetze.

Auf diesen Punkt möchten wir genauer eingehen. Das Gesetz, welches hier beachtet werden muss, ist das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG). Nach § 7 Abs. 3 UWG ist die E-Mail-Werbung nur dann möglich, wenn es sich

  1. bei den Empfängern um Bestandskunden handelt,
  2. gleiche/ähnliche Produkte beworben werden,
  3. die Kunden nicht widersprochen haben und vor allem
  4. die Kunden bei der ersten Erhebung der E-Mail-Adresse (also zum Beispiel beim Bestellvorgang im Online-Shop) bereits darauf hingewiesen wurden, dass der geplanten Verwendung jederzeit widersprochen werden kann.

Diese Prüfpunkte gelten im Übrigen sowohl für den Bereich B2B als auch B2C. Das UWG unterscheidet hier nicht.

Aber was hat das jetzt mit dem Datenschutz zu tun?

Ganz einfach: Wenn die Vorgaben des UWG nicht erfüllt sind, kann auch die Abwägung der entgegenstehenden Interessen nach der DSGVO nicht dazu führen, dass das berechtigte Interesse der verantwortlichen Stelle überwiegt. Denn niemand muss damit rechnen und vor allem auch nicht hinnehmen, dass ein Verantwortlicher gegen bestehende Gesetze verstößt. D. h. verstößt die geplante Verarbeitung auch nur gegen ein anderes Gesetz, kann für die Verarbeitung niemals das berechtigte Interesse aus der DSGVO als Rechtsgrundlage herangezogen werden.

Fazit: Bei dem berechtigten Interesse bedarf es immer einer Abwägung, die dokumentiert werden sollte. Prüft, ob es spezielle Gesetze gibt, die beachtet werden müssen. Und hinsichtlich der Werbung: Wenn die Voraussetzung des UWG nicht erfüllt sind, wird es auch mit dem berechtigten Interesse nichts.

Aufgrund der Komplexität der Thematik wird zur besseren Verständlichkeit in dieser „Kleinen Reihe“ nicht gegendert. Sämtliche Geschlechter sind mit gemeint.

Rechtsgrundlagen – Teil 2