Europäischer Gerichtshof erklärt Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung für unzulässig

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) befasste sich mit der Verfassungsbeschwerde gegen die Vorratsdatenspeicherung und legte in seiner Entscheidung vom 08.04.2014 dar, dass die vom EU-Gesetzgeber verabschiedete Richtlinie 2006/24/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 einen besonders schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte der Bürger auf Achtung des Privatlebens und auf den Schutz personenbezogener Daten darstelle und
gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

Der Europäische Gerichtshof in Luxemburg hat damit entschieden, dass das umstrittene EU-Gesetz gegen europäisches Recht verstößt und die verdachtsunabhängige Speicherung von Verbindungsdaten von Telekommunikationsteilnehmern aus den EU-Mitgliedstaaten damit unzulässig ist. Das höchste europäische Gericht erklärt somit die EU-Richtlinie für ungültig und zwar rückwirkend, d.h. die Ungültigkeitserklärung wird zum „Zeitpunkt des Inkrafttretens der Richtlinie wirksam“.

EuGH: Vorratsdatenspeicherung stellt Eingriff in die Grundrechte der Bürger von besonderer Schwere dar
Die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung sah vor, dass Diensteanbieter von Telekommunikationsleistungen aus EU-Mitgliedstaaten mit mehr als 10.000 Kunden die Speicherung der Verbindungsdaten für einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten bis maximal zwei Jahre vorzunehmen haben und zwar unabhängig davon, ob gegen den Kunden des Telekommunikationsanbieters ein Tatverdacht vorläge oder nicht.
Die Vorratsdatenspeicherung bezog sich nicht auf Inhaltsdaten, sondern auf die Metadaten wie Ort, Zeit, Dauer, Gesprächsteilnehmer und Art eines Telefonats oder einer Nachricht. Die Metadaten erlauben damit einen Rückschluss darauf, wer mit welchem Kontakt, wann, wie lange, von wo aus und mit welchem Kommunikationsmittel (mobil, Festnetz, IP, E-Mail, SMS…) kommuniziert.
Der EuGH sieht darin einen Eingriff in die Grundrechte der Bürger von besonderer Schwere, da diese Metadaten einen sehr weitreichenden Rückschluss auf das Privatleben von Personen erlaube. Durch Auswertung der gespeicherten Daten könne auf „Gewohnheiten des täglichen Lebens, ständige oder vorübergehende Aufenthaltsorte, tägliche oder in anderem Rhythmus erfolgende Ortsveränderungen, ausgeübte Tätigkeiten, soziale Beziehungen und das soziale Umfeld“ geschlossen werden (EuGH Presseerklärung Nr. 54/14).
Für den Bürger ergäbe sich daraus das Gefühl der ständigen Überwachung, zumal er als Betroffener weder über die Vorratsdatenspeicherung an sich noch über die beabsichtigte Nutzung der Daten informiert würde.

EuGH: Vorratsdatenspeicherung verstößt gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit
Der EuGH vertritt die Ansicht, dass mit der Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung die Grenzen der Verhältnismäßigkeit überschritten werden. Der EuGH bemängelte weiterhin, dass die Richtlinie keine präzisen Vorgaben enthält, die den Zugang der nationalen Behörden zu den Daten und erlaubte Nutzungszwecke regelt. Das Nutzungsrecht begründet sich stattdessen ganz allgemein aus dem Interesse der Verfolgung von in jedem Mitgliedstaat in seinem nationalen Recht definierten „schweren Straftaten“. Um einen Zugriff auf die gespeicherten Daten bei den Providern zu erhalten, sind keine vorherigen Kontrollen durch Gerichte oder unabhängige Verwaltungsstellen erforderlich. Weiterhin kritisiert der EuGH, dass die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung keine Vorgaben zum Schutz der Daten enthält und keine Beschränkung des Speicher- und Verarbeitungsort der Daten ausschließlich auf das EU-Gebiet vorsieht.

Quellen:

Zeitonline „Gerichtshof kippt Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung“

Heise: EuGH „Regeln zur Vorratsdatenspeicherung verstoßen gegen EU-Recht“