Missbrauch von Betroffenenrechten im Gerichtsverfahren

Ein fundamentales Ziel der DSGVO ist der Ausbau, die Stärkung und die Wahrung der Rechte der von einer Datenverarbeitung betroffenen Person. Zur Erreichung dieses Ziels normiert die DSGVO die Informationspflichten eines Verantwortlichen, das Recht auf Auskunft, Berichtigung, Löschung, das „Recht auf Vergessenwerden“, Datenübertragbarkeit sowie Einschränkung der Datenverarbeitung und den Widerspruch als Betroffenenrechte (Art. 12 ff. DSGVO). Diese Rechte können bspw. im Zuge eines Gerichtsverfahrens geltend gemacht werden und bedeuten für die Gegenseite meist einen hohen Aufwand, wodurch ein gewisses Missbrauchsrisiko der Auslegung besteht. Einige Gerichte haben in den letzten Jahren bereits darauf hingewiesen und entsprechende Klagen abgelehnt.

Unsicherheit in Bezug auf den Umfang des Auskunftsrechts

Wird nach Art. 15 DSGVO das Recht auf Auskunft geltend gemacht, ist der Verantwortliche unter anderem rechtlich verpflichtet, dem Betroffenen den Verarbeitungszweck, die Datenkategorien der verarbeiteten personenbezogenen Daten und die Empfänger von Datenübermittlungen offenzulegen. Dem kann jedoch in einigen Fällen der Einwand des Rechtsmissbrauchs nach § 242 BGB entgegengehalten werden, welcher als ein das gesamte Rechtsleben durchziehender Grundsatz gilt. Entscheidend dabei ist, wie das Gericht den Umfang des Auskunftsrechts versteht. Grundsätzlich sollte die Geltendmachung eines Auskunftsanspruches dazu dienen, sich der Verarbeitung personenbezogener Daten bewusst sein zu können und die Rechtmäßigkeit der Verarbeitungen zu überprüfen. Ist dies nicht gegeben, da der um Auskunft ersuchende bspw. die Verfolgung von Leistungsansprüchen damit bezwecken möchte, kann treuwidriges Verhalten durch Ausnutzung vorliegen. Aufgrund des wie erwähnt hohen Aufwandes bei der Erfüllung eines Auskunftsrechts, wird die Geltendmachung oft dazu missbraucht, der Gegenseite in einem Gerichtsverfahren zusätzliche Arbeit zu bereiten oder an die fraglichen Informationen für andere Zwecke zu gelangen. Die Rechtsprechung zeigt, dass in solchen Fällen die Erfüllung eines Auskunftsanspruch vom Gericht abgelehnt werden kann.

Klarheit durch neue EU-Richtlinie?

Auch die DSGVO gibt in Art. 12 Abs. 5 lit. b) an, dass sich der Verantwortliche bei „offenkundig unbegründeten oder – insbesondere im Fall von häufigen Wiederholungen – exzessiven Anträgen einer betroffenen Person“ weigern kann, aufgrund des Antrags tätig zu werden. Die Auslegung des Merkmals „offenkundig unbegründet“, wird hierbei nicht präzisiert. Interessant ist, dass in einem neuen EU-Richtlinienvorschlag, der ebenfalls das missbräuchliche Nutzen von Rechten thematisiert, dasselbe Merkmal aufgeführt wird. Konkret geht es bei der von der Kommission vorgeschlagenen Richtlinie um einen verbesserten Schutz von Personen, die sich öffentlich beteiligen, vor offenkundig unbegründeten oder missbräuchlichen Gerichtsverfahren („strategische Klagen gegen öffentliche Beteiligung“). In Erwägungsgrund 20 der Richtlinie wird der Begriff der missbräuchlichen Gerichtsverfahren inhaltlich beschrieben, unter anderem heißt es dort: „diese Taktiken werden von den Klägern zu anderen Zwecken eingesetzt, als um Zugang zur Justiz zu erhalten“. Hier ergeben sich deutliche Parallelen zu der Situation unter der DSGVO. Auf die Beantwortung der Frage nach einer abschließenden Definition des Merkmals „offenkundig unbegründet“ wartete man wie auch in der DSGVO vergeblich. Allerdings enthält Art. 3 der Richtlinie eine Liste der häufigsten Indikatoren von Missbrauch, darunter die Unverhältnismäßigkeit, Maßlosigkeit oder Unangemessenheit der Forderung oder eines Teils davon, das Vorhandensein mehrerer Verfahren, die vom Antragsteller oder mit ihm verbundenen Parteien in ähnlichen Angelegenheiten angestrengt wurden, oder Einschüchterungen, Belästigungen oder Drohungen von Seiten des Klägers oder seiner Vertreter.

Fazit

Der Richtlinienentwurf und die Erläuterungen der Kommission könnten durch ihre Übertragbarkeit auf die missbräuchliche Geltendmachung von Betroffenenrechten durchaus Klarheit in der Auslegung und vor Gericht schaffen. Es finden sich einige begriffliche Eingrenzungen, durch welche ein Rechtsmissbrauch weiter eingedämmt werden kann. Inwieweit die Parallelen genutzt werden können und wie die Entscheidungen der Gerichte in Bezug auf die Geltendmachung von Betroffenenrechte zukünftig ausfallen, bleibt abzuwarten.


Quelle: Europäische Kommission: EU-Richtlinienvorschlag vom 27.4.2022


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